Spirituelle Arbeit mit Kindern/Die Entfaltung kreativer Fähigkeiten beim Kind (Arbeitserfahrungen der Sektion “Harmonie”) Die Entfaltung kreativer Fähigkeiten beim Kind (Arbeitserfahrungen der Sektion “Harmonie”)E.B.RagimowaDer Begriff der Harmonie im Menschen umfasst einen recht weiten Themenkreis, der nicht durch den Umfang von Kenntnissen und Gewohnheiten erschöpft wird, die für gewöhnlich an Schulen vermittelt werden. Harmonie der Persönlichkeit setzt nicht nur eine gleichmäßige Entwicklung der physischen, intellektuellen und emotionalen Sphäre des Organismus voraus. Dieser Begriff beinhaltet auch das spirituell-moralische Potenzial des Menschen, dessen Entwicklung es diesem erlaubt, harmonisch mit den Menschen um ihn herum zu koexistieren, und die Möglichkeit bietet, die Schönheit und Vollkommenheit der Naturwelt zu schätzen und geschickt mit dieser zusammenzuwirken. Damit die Aufgabe der Erziehung einer harmonischen Persönlichkeit verwirklicht werden kann, muss im Menschen ein Schöpfer erwachen. Es muss in ihm der Wunsch aufkommen, sich selbst und seine inneren Möglichkeiten kennen zu lernen. Es muss das Bedürfnis geboren werden, das Letztere mit Nutzen für die Umgebung zu verwirklichen. Sich selbst kennen zu lernen und zu “erschaffen”, ist die schwierigste aller Künste. Darum sollten die Aufgaben der Erziehung einer kreativen Persönlichkeit bereits im Kindesalter angegangen werden. Es ist notwendig, Methoden zu suchen und anzuwenden, die dazu angetan sind, in unmittelbarer Weise auf jenes Potenzial spiritueller und schöpferischer Möglichkeiten einzuwirken, das in der Gefühls- und Willenssphäre des Menschen eingeschlossen ist. Es ist notwendig, jenes Streben nach Güte und Licht, das jeder Seele innewohnt und zur Quelle von Sittlichkeit und Persönlichkeitsharmonie werden kann, zum Leben zu erwecken [3,9,12,14,19]. Die der Aufmerksamkeit der Leser dargebotene Methodik der Gruppenarbeit mit Kindern sieht ein Einwirken auf die Lernenden mithilfe eines Komplexes vielfältiger Methoden vor. Der Unterricht beinhaltet Übungen zur Entfaltung von Phantasie, Aufmerksamkeit und Gedächtnis, Sport- und Abhärtungstechniken sowie Gespräche über ethisch-psychologische und ästhetische Themen. Die Entfaltung kreativer Aktivität wird stimuliert durch das Zeichnen und Tanzen sowie verschiedenartige Spiele. Ein wesentlicher Akzent liegt auf der Nutzung von Elementen der psychischen Selbstregulierung [3,4], die es erlauben, die Aufmerksamkeit der Kinder auf Fragen der Selbstkontrolle und Selbsterziehung zu lenken. Ohne dies ist es schwierig, eine harmonisch entwickelte Persönlichkeit zu gestalten. Außerdem kann die Arbeit an der Entfaltung kreativer Möglichkeiten nur bei einem positiven emotionalen Hintergrund des Unterrichts fruchtbar sein. In diesem Fall leisten die Methoden psychischer Selbstregulierung des genannten Systems unschätzbare Hilfe, indem sie eine warme, wohlwollende Atmosphäre schaffen und das Bedürfnis wecken, sich zu “öffnen” und das Beste, was in einem ist, mit anderen zu teilen. Sie schärfen auch die Wahrnehmung, verbessern die geistige Tätigkeit, entwickeln die Phantasie und erlauben so einen breiteren Blick auf die umgebende Welt. Auch ein Unterricht über Methoden der Autosuggestion hilft, eine Psychokorrektur der Persönlichkeit der Schüler durchzuführen, was an sich schon äußerst wichtig ist. Wir sehen die Hauptaufgaben der Arbeit mit Kindern darin: a) Gehemmtheit und emotionale Anspannung abzubauen; b) Gewohnheiten eines harmonischen Umgangs auszuarbeiten, der auf Wohlwollen fußt; c) ein ökologisches Denken zu formen, darunter ein respektvolles Verhältnis zur Natur; d) Konzentrationsfähigkeit und Vorstellungsvermögen zu entwickeln; e) ästhetische Bedürfnisse zu formen; f) sportliche Gewohnheiten einzuprägen, darunter Übungen zur Erarbeitung der richtigen Körperhaltung und zur Beherrschung des Körpers, aber auch Bewegungsspiele, Laufen und Abhärten. Bei jedem Einzelunterricht wird einer der Arbeitsaspekte führend. Der Gruppenunterricht findet zwei Mal die Woche in der Sporthalle statt. Die Dauer eines Unterrichts beträgt etwa drei Stunden. Daneben werden Feiertage für Gruppenausflüge außerhalb der Stadt oder für Exkursionen (beispielsweise zu Ausstellungen) genutzt. Die günstigste quantitative Zusammensetzung einer Gruppe sind 12 bis 16 Personen (Kinder). In die Gruppe werden Kinder im Alter von 8 bis 12 Jahren beziehungsweise von 10 bis 15 Jahren aufgenommen. Am Unterricht nehmen nach Wunsch auch Eltern teil, was dabei hilft, eine “warme”, “familiäre” Atmosphäre zu schaffen, viele familieninterne Probleme zu lösen und nützliche Umgangsgewohnheiten zu entwickeln. Hierbei ist es überaus wichtig, bei den Eltern ein Interesse an dieser Form der Arbeit mit ihren Kindern zu wecken. Ein Verständnis der Eltern für die Wichtigkeit unserer Aufgaben beschleunigt den Fortschritt der Kinder. Der Aspekt der Arbeit mit Erwachsenen wird daher zu einer Aufgabe für sich. Diese wird bewältigt durch Gespräche, Vorträge über Themen wie Abhärtung, Ernährung sowie Psychologie des Umgangs mit Kindern sowie durch Heranführung an entsprechende Literatur [1,2,5, 8,10,12,13,16,17,22]. Die am Unterricht teilnehmenden Kinder und Eltern sollten in Sportanzüge gekleidet sein und kleine Vorleger bei sich haben, auf denen man sich im Saal niederlassen kann. Alle werden im Voraus benachrichtigt, dass die Kleidung und die Vorleger aus naturbelassenen Stoffen sein sollen, da synthetische Stoffe sich negativ auf die metabolischen Vorgänge im Organismus auswirken können. Der Saal sollte nicht mit Leuchtstofflampen beleuchtet sein. Der Einführungsteil eines jeden Unterrichts beinhaltet die “Wunsch-Übung”, welche die Anwesenden auf den bevorstehenden Unterricht einstimmt und einen positiven emotionalen Hintergrund schafft. Alle setzen sich im Kreis* in der “Schülerstellung” (Fersensitz mit aufrechtem Rücken, Handflächen an den Hüften). Der Unterrichtsleiter erinnert an die Notwendigkeit, die Muskeln von Gesicht, Hals, Bauch und Armen zu entspannen und schlägt nachher vor, der Stille im Saal zu lauschen, der Stille im eigenen Innern... Seine Stimme sollte laut genug sein (damit alle ohne Anspannung zuhören), ruhig und mit Pausen für die Ausführung der vorgeschlagenen Übungen. Er führt folgende Meditation durch: “Wir spüren Wärme in der Mitte des Brustkastens... Dort ist ein winziges warmes Stückchen Sonne... Es pulsiert, wächst, füllt mit seiner Wärme die ganze Brust... Seine zarten Strahlen möchten gern heraus... Wir senden sie nach vorn zu allen, strecken sie aus, wie kleine warme Hände, zum Zeichen der Freundschaft... Zusammen mit den Strahlen senden allen die Wünsche: — Es werde Freundschaft! — Es werde Licht! — Es werde Freude in aller Welt! Wir senden jetzt sanfte Strahlen unserer Liebe nach hinten, jenseits des Saals, an alle bekannten und unbekannten Menschen, an alle Tiere, Vögel, Käfer, Fische...”. Danach ändert sich die Richtung der “Wunsch-Übung” nacheinander horizontal nach allen Seiten hin sowie nach oben und nach unten. Möglich sind auch andere Formeln, zum Beispiel: “Mögen alle Wesen friedlich sein! Mögen alle Wesen ruhig sein! Mögen alle Wesen sorglos sein!”. Der Hauptteil des Unterrichts beinhaltet ein Aufwärmen, Übungen der psychischen Selbstregulierung, darunter psychophysische Übungen und spielerischen “spontanen” Tanz, sowie auch Meditationsspiele, einen Turnkomplex und Entspannung. Psychophysische Übungen sind eine Kombination von physischen Bewegungen und Autosuggestion. Da es den Kindern schwer fallen könnte, sie ohne Weiteres auszuführen, bereiten wir sie vor, indem wir mit leichten spielerischen Vorübungen auf der Aufwärmbasis beginnen. Dabei wird den Kindern vorgeschlagen, sich auf die arbeitenden Muskeln und Gelenke zu konzentrieren und sich vorzustellen, dass Sonnenlichtströme, reine Regenstrahlen u.dgl. durch sie “hindurchfließen”. Danach identifizieren sich die Kinder mit einer visualisierten Löwenzahnblume, einem jungen Baum, einem Kräutlein usw. Nachstehend haben wir die grundlegenden psychophysischen Übungen [3,4] in kindgerechter Modifikation geschildert. Diese Übungen werden im Stehen ausgeführt. Das “Geben” ist eine Technik, die auf den Wunsch einstimmt, das Beste, was in uns ist, mit anderen zu teilen. In der Ausgangsstellung sind die Arme in den Ellbogen auf Brusthöhe angewinkelt, die Hände an der Brust. Dann gehen sie mit einer breiten Geste nach vorn und an die Seiten auseinander. “Der Maßstab des Menschseins ist die Fähigkeit zu geben... Alles, was wir erhalten, sollten wir anderen geben... Wir schenken aus, verteilen großzügig, kostenlos, ohne den Wunsch nach Belohnung, alles Gute, was wir selbst angehäuft haben...”. Wir wiederholen die Übung noch einmal und einmal. Die “Versöhnung” wird mithilfe fließender, wellenartiger Bewegungen einer offenen Hand in der Richtung von oben nach unten geübt. Diese Geste versinnbildlicht Ruhe, Harmonie, Frieden in uns und im umgebenden Raum. Sogar die bloße Vorstellung, dass man diese Übung macht, kann, wenn gut nachempfunden, einen stabilisierenden Effekt bringen. Bei der Vorbereitung auf die “Aufwachübung” sollte man den Körper entspannen und den Kopf leicht zurückwerfen. Wir tauchen ein in die morgendliche Frische und Reinheit, die uns mit Munterkeit, Kraft und Gesundheit füllen. Wir empfinden Freunde und Einheit mit der ganzen Welt. Wir heben die Arme hoch, recken uns wie nach dem Schlaf, wachen auf für die Schönheit und Harmonie der Welt... In uns hinein lassen wir einen Strom morgendlicher Frische — die Arme senken sich zu den Schultern und helfen gleichsam diesem Strom, in unseren Körper hineinzufließen... Wir waschen uns mit Sonnenlicht, gießen es in jede Zelle des Körpers... Wir verwandeln uns in ein Kräutlein, in einen grünen Keimling... Ein sanfter Morgenwind weht heran... Der ganze Körper schaukelt sich, tanzt wie ein Kräutlein unter den Strahlen der Morgensonne... Wir leiten die Übung in einen spielerischen, “spontanen” Tanz über. Der spielerische “spontane” Tanz wird in einem Zustand körperlicher Gelöstheit ausgeführt. Die Bewegungen werden nicht geplant, nicht mental vorgegeben. Der Körper soll mit dem umgebenden Raum in Einklang kommen, er tanzt von selbst, voller Glückseligkeit... Wir stellen uns auf die Zehenspitzen, erheben Hände und Gesicht, spüren die herabfließenden Ströme goldenen Sonnenlichts... Durch den Körper hindurch fließen Sonnenbäche... Die Lichtströme bilden ein Sonnenmeer, wir lösen uns darin auf... Durchscheinende Körper, wie Wasserpflanzen, tanzen im Sonnenmeer... Der spielerische “spontane” Tanz ist auch in anderen Varianten möglich, zum Beispiel als ein Tanz verschiedenfarbiger Lichtballons am blauen Himmel oder als ein Flug freier weißer Vögel in den Strahlen der Morgensonne. Der Tanz begünstigt eine Veränderung des physischen und psychischen Zustands der Teilnehmer, indem er Gehemmtheit abbaut und mit Freude und Begeisterung füllt. Mitunter kann er von Musik begleitet werden. Zu empfehlen sind ruhige, sanfte östliche Melodien, die auf ebenso sanfte, strömende Bewegungen einstimmen. Alle oben aufgezählten Übungen beruhen auf einer der ersten Techniken der psychischen Selbstregulierung — der Arbeit mit Bildvorstellungen. Von den ersten Minuten der Lektion an (beginnend mit der “Wunsch-Übung”) tauchen die Kinder in eine Welt der Vorstellung und Phantasie ein. Sie werden zu Teilnehmern eines Schöpfungsvorgangs, der sich mithilfe des Übungsleiters unter gemeinsamer Anstrengung aller Teilnehmer entwickelt. Mit den wachsenden Fähigkeiten der Kinder wird es möglich, Meditationsspiele in die Arbeit einzubeziehen — eine Technik, die bei der Schönheitstherapie für Erwachsene breite Verwendung findet. In unserem Fall ist sie kindgerecht modifiziert. Meditationsspiele stellen eine Entwicklung beim bildhaften Vorstellen bestimmter ästhetischer Themen dar [4]. Der Übungsleiter gibt ein Thema vor, weist den Teilnehmern Rollen zu und “zeichnet” danach in ihrer Vorstellung eine Motiventwicklung in prägnanten ästhetischen Bildern. Die Schüler sollen “in die Bilder hineingehen”, sich mit ihnen identifizieren, eine sich harmonisch entwickelnde Bindung an die anderen Teilnehmer empfinden und diese Beziehungen in Bewegungen ausdrücken. Dabei lässt die Bewegungsplastik die beim meditativen Erleben entstehenden Gefühlszustände offenbar werden. Es werden folgende Varianten der Meditationsspiele angewendet: “Reise auf dem Ozeangrund”: Wir bewegen uns in warmem, klaren Wasser inmitten von sich weich hin und her wiegenden Wasserpflanzen, verschiedenfarbigen Steinchen auf dem Boden, spielenden Fischen und Sonnenlichtflecken. “Das Leben der Blumen”: Jeder Teilnehmer identifiziert sich mit seiner Lieblingsblume. Früher Morgen. Erste Sonnenstrahlen haben die Blume geweckt. Sie faltet ihre durch Tautröpfchen ausgeschmückten Kelchblätter auseinander und lächelt der Sonne zu. Die Blume ist gastfreundlich, sie gibt ihren süßen Saft mit Freude einer heranfliegenden Biene, einer kriechenden flauschigen Raupe und anderen ihren Freunden. “Fliegende Vögel in den Wolken”: weiße und rosige leichte Wolken im Himmelblau, schnelle weiße Vögel, fröhliche und zärtliche Sonnenstrahlen... Beim Spiel leben wir von ihrem Zusammenwirken. “Die Jahreszeiten”: Die Teilnehmer identifizieren sich mit einem Waldbaum, einem Regentropfen, einem Waldvogel — und leben gleichsam ihr Leben in verschiedenen Jahreszeiten. Solche Spiele können von Musik begleitet werden. Es kann etwa antike taoistische Musik Chinas sein, aber auch moderne Synthesizer-Musik, die Geräusche und Bilder der Natur wiedergibt. Das Gelingen dieser Arbeit ist bedingt durch die Fähigkeit des Übungsleiters, bei den Übenden die jeweils entsprechenden Erlebnisse mit maximaler Schärfe hervorzurufen. Er muss nicht nur eine prägnante, bildhafte Redeweise beherrschen, sondern auch die Fähigkeit, die Empfindungen, die jedes Wort in sich trägt, zu vermitteln. Der sportliche Übungskomplex ist eine unersetzliche Komponente bei jedem Unterricht. Ein gesunder Körper ist die unabdingbare Voraussetzung für eine heitere Weltwahrnehmung. Deshalb ist es bei der Arbeit mit Kindern wichtig, sie dafür zu überzeugen, sich die Gewohnheiten einer gesunden Lebensweise zu eigen zu machen. Im Besonderen müssen die Kinder beim Unterricht die Freude erfahren, die einem das aktive Bewegen schenkt. Die Übungskomplexe, welche die Lernenden bei diesem Unterrichtskapitel meistern, sollten auch zuhause praktiziert werden. Die sportlichen Bewegungsübungen haben zum Zweck, die Wirbelsäule und die Extremitätengelenke elastischer zu machen sowie diejenigen Muskelgruppen zu trainieren, die für die richtige Körperhaltung sorgen. Die statischen Übungskomplexe (Asanas) des Hatha-Yoga werden begleitet durch Erläuterungen zu ihren Auswirkungen auf den Organismus und dessen psychischen Zustand [3,6 7,15]. Geübt werden auch Techniken der Atemgymnastik [6], einfachste Pranayamas [3] und einzelne Gymnastikübungen aus dem chinesischen Tai Chi. Ein weiteres Element dieses Unterrichtskapitels sind Bewegungsspiele und Laufübungen im Hof, in einem Park oder einem Stadion. Hierbei können nicht zuletzt erste Gewohnheiten des “Meditationslaufes” [3] erworben werden. Das Beherrschen der “Meditationslauf-Methodik” erlaubt es, den gewöhnlichen monotonen Lauf in ein leichtes und angenehmes Spiel umzugestalten, das zudem noch die Gefühlssphäre bereichert. Die Lernenden machen sich auch mit elementaren Abhärtungsgewohnheiten bekannt [3,8,10,20], darunter mit dem Barfussgehen zu jeder Jahreszeit. Die am besten vorbereiteten Kinder praktizieren (zusammen mit den Eltern) das Baden in offenen Wasserbecken das ganze Jahr hindurch. Es sei bemerkt, dass der Einsatz von Abhärtungstechniken nicht nur gesundheitsfördernde Gewohnheiten einimpft, sondern auch dem Willenstraining dient. Ein starker Wille ist die notwendige Voraussetzung für die richtige Persönlichkeitsbildung im Jugendalter. Die Entspannung wird praktiziert in Form einer “Ruhe-Übung”. Diese besteht im sukzessiven Lockern aller Muskeln, von den Fußzehen bis zum Kopf, in Rückenlage mit geschlossenen Augen. Der Entspannungszustand bleibt mehrere Minuten erhalten. Diese Übung kann vor einem musikalischen Hintergrund durchgeführt werden. Man benutzt dazu Lautenmusik alter Meister, Musik von G.I.Gurdschijew sowie alte russische Musik mit Chorbegleitung. Der Übungsleiter kann die Entspannungsübung verbal begleiten, indem er bestimmte Vorstellungsbilder visualisieren lässt, beispielsweise warme, ans Ufer schlagende Meereswellen, einen sonnenerhitzten Sandstrand, eine flauschige Wolke, die den Körper einhüllt usw. Neben der “Ruhe-Übung” werden im Unterricht noch mehrere Entspannungstechniken geübt wie etwa “Das Krokodil”, “Die Halbe Schildkröte” [3] u.dgl. Für die Dauer der Entspannung kann eine helle Saalbeleuchtung abgedämpft werden. Der Abschlussteil des Unterrichts schließt Gespräche, Spiele und andere Betätigungsarten ein, bei denen die Erziehung des ästhetischen Geschmacks der Kinder fortgeführt wird, ebenso wie die Entwicklung ihrer eigenen kreativen Ausdrucksformen und die Gestaltung eines ökologischen Denkens. Es erscheint wichtig, die Aufmerksamkeit der Lernenden auf verborgene Möglichkeiten des menschlichen Körpers zu lenken und sie für die Frage der Selbstverwirklichung zu begeistern. Das Thema Verhältnis zur Natur wird auf der Basis von Dias, Bildreproduktionen und Musik behandelt. Möglich sind zum Beispiel folgende Themen der Dia-Filme: “Das Leben des Wassers”, “In den Bergen”, “Der Frühling in der Natur” usw. Gut geeignet sind auch Reproduktionen der Bilder von N.K.Rerich, G.I.Kurnin und B.Smirnow-Rusetzkij. Im Musikbereich findet das Thema Natur gute Darstellung in Kompositionen der Gruppe von Paul Winter (“Öko-Jazz”) u.a. Musik kann Diavorführungen begleiten oder sie kann auch schlicht im Halbdunkel des Saals bei Kerzenlicht tönen. Die eigenen Schöpfungskräfte der Kinder lassen sich unter anderem durch Kunstlektionen erwecken. So kann man sie bitten, in Zeichnungen die Zustände wiederzugeben, die ihnen im Unterricht am meisten gefielen. Und nun stellen die Kinder “die Freude” dar: Die Blumen heben ihre Köpfchen der Sonne entgegen und genießen ihre zärtlichen Strahlen; “der Kosmos”: Planeten, wo es immer nur Freundschaft gibt und niemals Kriege; “Goldener Regen”: große weiße Kamillen unter einem goldenen Regen der Sonnenstrahlen. Hin und wieder richten wir “Märchen- und Gedichtabende” ein: Beim Licht einer Tischlampe ertönen Märchen und Gedichte — russische, östliche u.a. Die Kinder werden gebeten, über Märchen von L.N.Tolstoi [21] nachzudenken, über “Die Sage von Rama und Sita”, die Legende “Sur Sagar” von Surdas usw. Ein gutes Märchen ist nicht zuletzt eine Psychologie-Lektion, die in einer dem kindlichen Auffassungsvermögen zugänglichen Sprache dargeboten wird. Märchen erlauben es, gute Ansätze in der Seele des Kindes zu erwecken, sie fordern zum moralischen Nachdenken auf [9,18]. Neben Märchen und Gedichten können im Unterricht Erzählungen über Tapferkeit und Edelmut gelesen werden, etwa aus Büchern, Zeitungen und Zeitschriften. Ihr Ziel ist es, moralische Ideale zu formen: Hilfsbereitschaft, Willenskraft, Menschenliebe. Das abschließende Unterrichtskapitel kann auch Spiele beinhalten. Psychologen zeigen, dass das Spiel zu den wichtigsten Erziehungsmitteln gehört und dass ohne das Spiel, ohne Phantasie, ohne Vorstellungsarbeit der “Schöpfungsstrom” des Kindes versiegt. Die umfassende Einbeziehung von Spielen ins Unterrichtsprogramm hat daher nicht zuletzt zum Zweck, schöpferische Initiative zu stimulieren und jedem Teilnehmer zu helfen, psychologische Individualität zu entwickeln. Spiele begünstigen außerdem die Entstehung von Kontakt und Vertrauen zwischen Erwachsenen und Kindern. Hier sind einige der gebrauchten Spiele: “Der Spiegel”: In Paaren ahmt der Geführte die Körperbewegungen und die Mimik des Führenden nach. “Das Fernauge”: Ein imaginäres Fernauge bewegt sich gleichsam im Inneren des Körpers und beobachtet dessen verschiedene Teile. “Die Melodiepfeifen”: Wir empfinden unseren Körper als eine Hohlpfeife und singen lautbare Klänge oder kurze Silben, die so klingen, als kämen sie aus verschiedenen Teilen des Oberkörpers. Dabei übertragen wir die Konzentration abwechselnd ins Zentrum des Brustkastens, in die Bauchmitte, in den Hals und in den Kopf. “Die Filmaufnahme”: Die Teilnehmer vollziehen verbale “Skizzen” zum vorgegebenen Thema. Die Aufgabe besteht darin, dass diese “Skizzen” gleichsam sichtbar für andere werden. Die Hauptkriterien der Materialauswahl sind in diesem Kapitel, so sei angemerkt, die Güte und die Schönheit. Indem wir die “Seelenschale” des Kindes mit diesen Eigenschaften füllen, bewahren wir es zugleich vor vielen Fehlern, Kümmernissen und Krankheiten. Die gemeinsame Mahlzeit ist ein wichtiges und beliebtes “Ritual”, das den Unterricht beendet. Die Teilnehmenden nehmen Platz um ein “Tischleindeckdich”, auf dem sich hergebrachtes Essen befindet. (Wir empfehlen den Lernenden, sich an eine “tötungsfreie” Diät aus Eiern, Milchprodukten und Pflanzen zu halten). Alle beruhigen sich und werden still. Der Übungsleiter spricht die Worte der Einstimmungsmeditation:
“Wir fühlen eine zärtliche Sonne in der Brust... Wir senden jetzt von dort sanfte Strahlen der Dankbarkeit an die Nahrung... Sie schenkt uns Leben, Kraft, die Möglichkeit Freunde zu haben... Wir senden Strahlen unserer Dankbarkeit an diejenigen, die diese Nahrung für uns angebaut und zubereitet haben... Wir senden unseren Freudengruß an alles Lebende in alle Richtungen... Es werde Freundschaft! Es werde Licht! Es werde Freude in aller Welt! Guten Appetit euch allen!”
Alle beginnen freundschaftlich zu essen, ohne dabei zu vergessen, einander das Schmackhafteste und Leckerste anzubieten. Beim Essen werden Speiserezepte und schlichtweg für alle interessante Informationen ausgetauscht.
Außer dem Saal-Unterricht praktizieren wir an Feiertagen regelmäßige Gruppenfahrten außerhalb der Stadt. Die Gruppe begibt sich zum Beispiel an einen Waldsee, wo man schwimmen und beim Feuer sitzen kann. Bei der Rückkehr sind alle voller Eindrücke und Kraft. Diese Fahrten sind aber nicht bloß Unterhaltung und Erholung: Die Kinder werden hier bekannt mit der Natur und lernen mit ihr umzugehen. Es gibt beispielsweise ein “Tabu”, das man nicht übertreten darf: Wir haben unter keinen Umständen ein Recht darauf, der Natur in irgendeiner ihrer Erscheinungsformen Böses anzutun — weder einem Kräutlein, noch einem Blatt, noch einem Käfer. Die Natur ist für uns ein riesiges und wundervolles Haus. Den Umgang mit ihr können wir für uns zu einem Fest machen.
Eine Möglichkeit, die Wirksamkeit der dargelegten Methodik zu beurteilen, bieten die Gespräche mit Eltern, die Antworten auf Fragebogenfragen, aber auch schlicht das Beobachten der lernenden Kinder. Hier sind einige Beispiele für Veränderungen, die sich nach 7-monatigem Unterricht bemerkbar gemacht haben: Aufwallungen von Munterkeit und Lebensfreude werden nach jedem Unterricht empfunden. Physischer Zustand und Gesundheit verbessern sich. Die angewendeten Techniken beschleunigen die Entfaltung der Fähigkeiten der Kinder. Es entsteht bei ihnen ein Interesse am Malen und am Sportunterricht, der eine oder andere beginnt gelungene Gedichte zu schreiben, was früher nicht der Fall war. Die Kinder fühlen sich zunehmend hingezogen zur Musik und wünschen sich weiterführenden Musik- und Tanzunterricht. Sie entwickeln eine bewusstere Einstellung zu gelesener Literatur und sonstiger Information. Es entwickelt sich ein Bedürfnis, sich schöpferisch zu äußern, der ästhetische Geschmack wächst, das Blickfeld weitet sich. Der allerwichtigste Effekt aber ist die in den Kindern wachsende Herzensgüte. Am deutlichsten werden die Resultate bei denjenigen Kindern offenbar, deren Eltern selbst am Unterricht teilnehmen oder Gruppen besuchen, welche das oben geschilderte System psychischer Selbstregulierung lernen [3,4]. In diesem Fall sind die Kinder und die Erwachsenen nicht nur durch gemeinsame Interessen vereint, sondern auch durch eine gemeinsame Weltauffassung und eine gemeinsame Einstellung zur Lösung von Lebensproblemen. Zum Schluss ist es sinnvoll, kurz auf diejenigen Eigenschaften einzugehen, die jeder meistern soll, der ähnliche Gruppen leiten möchte. Jeder wird zustimmen, dass man anderen nur das beibringen kann, was man selbst kann. Deshalb ist es für einen Gruppenleiter wichtig, einen vollen Lehrgang (Erwachsenenkurs natürlich) über das System psychischer Selbstregulierung zu durchlaufen, aus dem die Hauptideen dieser Methodik geschöpft sind. Die dabei erworbenen Kenntnisse und Gewohnheiten bieten unter anderem die Möglichkeit, einen emotionalen Kontakt zu den Schülern herzustellen, der jede Autorität und jedes Diktat ausschließt. Es entsteht ein natürliches Verhältnis von Zusammenarbeit und kreativer Mitwirkung. Das Arsenal der Möglichkeiten des Lehrers erweitert sich und wird bereichert durch feine und vielfältige “Instrumente” des Einwirkens auf die Gefühls- und Willenssphäre des Kindes. Die Suche nach der Möglichkeit, “mit dem Herzen zu leben” (d.h. mit Liebe und Herzensgüte) führen zu einer feinfühligeren Einsicht in die Seele des Kindes und zur Fähigkeit, das jeweils optimale Prinzip des Zusammenwirkens mit ihm auszuwählen. Die erworbene Erfahrung gestattet es, die behandelte Methodik für fakultative oder arbeitsgemeinschaftliche Lehrprogramme schulischer und außerschulischer Einrichtungen zu empfehlen. Literatur
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